Hans Joachim Teschners

 

Lebens-Quark 5

 

 


                  

Gegen Mitte des 20. Jahrhunderts wurde eine ruchlose Tat bekannt, die als biographischer Kanonenschlag die Biographie dieses Biographieschreibers in das biographische Biographikum biographierte. Spätere Generationen sollten den Fall für fragwürdige Zwecke in Anspruch nehmen und ihn unter dem Titel „Aufruhr der Herzen“ unter das fälschlich so bezeichnete 'Publikum' mischen (siehe Wikipedia, siehe „Hund und Hirsch“ S. 124ff). Ob zu Recht, das muss hienieden bezweifelt werden. Freilich, niemand anderes als der Autor dieser Zeilen wurde ins Epizentrum des elenden Tuns geschleudert, zwangsläufig, den Geschicken zum Fraß...   

Es geht stets wie es geht.

 

   

Die Historiker jedenfalls erinnern an entgleisende Umstände, prahlen von einem Wirthauswunder, reklamieren Einkommensverluste des Prekariats und unterbreiten schließlich Indizien vom unstillbaren Verlangen der Schönen und Reichen nach dem einen und einzigen Unvergleichlichen; nach nichts weniger als der Unsterblichkeit im Gewese vertraglich fest gefügter Nachkommenschaft.

 

 

Leer

Worum ging es?

Konkret ausgedrückt und in eine erlebbare Metapher gefasst: Hehre Mütter stritten mit furibunder Rabulistik darum, meiner habhaft zu werden.

 So war das.

Noch hatten sich Brad Pitt und Angelina Jolie nicht in adoptiver Verstrickung zusammengeklumpt, noch schlierschleimte die adoptivgeile Madonna nicht durch den Geburtskanal, da bereits gelüstete es der Prominenz aus dem nachkrieglichen Industriehoch- und Schwermetalladel, mir, dem, wie es bald hieß „blutig gesafteten Eobiont“, mir also, dem so genannt nämlichen eobiontischen Saftblutigen, der da verheißen ward auf "ältlichem Pergament", der auserkoren „rundmundig Verschmollte“ und „bedrückend Hellfleischige“, der „redundant erblassend Gemörtelte“ und „intern aufgeschäumt Defibrillierte“ – jene Leser, die hier den Faden verloren haben, benötigen ein klärendes Wort, und es lautet: nachzustellen.

 Ja, so sprach die Fama.

Und zwar in einer beschwingten Weise, die des moribunden nicht entbehrte.

 

Voll

Nun wohl, für obdachlose Kriegsüberbleibsel wie mich verhieß jedwede Ablöse aus dem Waisenhaus eine Art Gnade plus Verheißung. Beides kam in Gestalt der zweiten Gattin eines Kriegsgewinnlers, die mich aus der Anstalt holte, ein besserer Mensch in Zeiten ethischer Verwanzung. „Welch hübsches Knuddelchen“, soll sie stutig gewiehert haben, es ging auf den Herbst des Jahres nach Ludwig Erhard zu. Sektkorken knallten, und die Kantate „Tönet die Posaunen“ von J. S. Bach wurde als Kompositionsauftrag dem rheinischen Frohgemut und Karnevalsjecken Karlheinz Stockhausen mit pädagogisch unantastbarem Würgegriff in die Gurgel geschraubt. Bei Anbruch der Abenddämmerung böllerten maßvoll sortierte Furzsalven um den Kölner Dom, und in edler Winzermanier ging auch das eine oder andere Gewölle über den Balkon.

 

Feiern konnte man, das schon.

Keine zwei Jahre flossen durch den Rhein, da war die Bessergattin & Gutmenschin – so will ich meine Kurzzeit- und Lebensabschnittsmutter in nacheilender Dankespflicht glorifizieren – dieses miese Stück Dreck also war meiner überdrüssig, schleifte mich zurück ins Heim und ließ im Abgang ordentlich einen krachen. Ein Tort, der die Menschheit in ihrem Beben erzittern ließ.

 

 

Mittlerweile nämlich waren die ethischen Ansprüche der Multikulti-Muttis sowie der im 68er-Revoltetaumel sich sonnenden Sozialpädagogen und Aktivverbrecher der Außenpolitik um ein Maß gestiegen, das visionär den Gedanken der Globalisierung vorwegnahm. Adoptionen von einheimischen Rotznasen waren „out“ und das Aufgreifen von heimatvertriebenen Farbigen – möglichst aus Übersee – ein „must“. Nicht lange nach meinem Rauswurf präsentierte denn auch die Bessergattin einen schmächtigen leberkrank-gelben Jüngling, der bei näherem Hinsehen nicht als leberkrank sondern glatt als Vietnamese durchging. Dieses arme Würstelchen, so deklamierte die Gutmenschin zaubrig beseelt, sei nichts weniger als ein „waschechter Vietcong und sogar boatpeople“, dem der Hungertod schier den Scheitel poliert habe, und zwar nicht zu knapp.

 

Dies ist kein Magritte

Freilich, so munkelte die Mischpoke aus Neureich & Geldadel alsbald, soll ihr der Neuerwerb nicht viel Freude bereitet haben. Es ging das Gerücht um von Explosionen im Partykeller, einem Katzenmassaker im Nachbargarten und einer vollständig verwüsteten Kücheneinrichtung nach einem ominösen Brand, angeblich einer Mehlverpuffung.

Es ist nicht alles Gold, was gelbt.

Kein Wunder, dass der Vietcong schleunigst wieder auf sein boat zurückverwiesen wurde. Ersetzt wurde er umgehend durch einen Schwarzafrikaner bettelnder Herkunft und ungewissen Alters, er muss seine sieben Lenze gezählt haben, so er denn hätte zählen können.

Leider gelang es weder der Bessergattin noch ihrem hochindustriellen Ehemann (Stahlröhren, Chemie) dem Dunkelhäutigen die Bettelei abzugewöhnen, und es kam vor, dass das moralisch bereits bedenklich und kreuzlahm ermattete Ehepaar ihr Vorzeigenegerlein mitternachts am Kölner Hauptbahnhof mit einem Obolus auslösen musste, manchmal auch mit einem Schälchen Reis, dann nämlich, wenn der schwarze Bub saftlos am ledrigen Riemen seines Hosenträgers nagte; die seinerzeit stolz aufgepappte Elfenbeinimitat-Applikation mit dem Hirschkopf war eh schon aus Not und Mangel an den nächstbesten Flohmarktbeschicker verhökert, unter Wert, versteht sich.

Insgesamt ein unwürdiges Spiel.

Wir verlassen deshalb das Szenario. Wer die Daten meiner Biographie bis

 hierhin genauestens verfolgt hat, dürfte ohnehin keine weiteren Angaben

benötigen. Nun stehe ich also als gläserner Mensch vor der

Weltöffentlichkeit, und wer immer auf unserem Planeten

dazu Lust verspürt, kann jetzt durch mich

hindurchblicken auf nichts als

 die Wahrheit,

die nackte

Wahrheit.

         

      Die nackte Wahrheit

    

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